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Alt 06.11.11, 13:26:48
Reborn
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Ich habe mich bisher heraus gehalten, denn wie Andreas schon bemerkt hat, ist dieses Thema kein 08/15 Forums-Thread, den man mit drei Worten kommentieren kann.

Pestilence und ich sind seit nunmehr ca. 10 Jahren Freunde und seitdem ist er auch mein bester Freund. Wir sind durch Dick und Dünn gegangen, meist eher durch Dick, wenn ich mich an unsere Hot-Dog-Pizza erinnere. Ich habe seinen 19" Monitor durch das halbe Viertel getragen, damit wir zusammen an einer LAN-Party teilnehmen konnten. Wenn ich mich recht entsinne, musste ich ihn sogar erst davon überzeugen, dass es gar nicht schlimm ist, seinen Rechner mal woanders mit hin zu nehmen. In der Zeit danach, ich hatte meine erste eigene Wohnung, waren er und viele unserer gemeinsamen Freunde Dauergast bei mir. Man könnte sagen, dass sie schon fast bei mir gewohnt haben.

Zu dieser Zeit war Pestilence, im Vergleich zu heute, topfit, wenn auch trotzdem von der Leukämie und der Chemotherapie geschwächt. Für mich war das völlig normal, denn mit Krebs habe ich mich schon in frühem Kindesalter auseinandergesetzt. In den folgenden Jahren sind wir wie Brüder gewesen, haben die selben Spiele gespielt, Filme und Serien geschaut und die gleichen bekloppten Ideen gehabt. Die Zeit brachte aber auch die COPD, was zuerst als CFS diagnostiziert wurde, chronisches Erschöpfungssyndrom. Pestilence konnte nicht mehr so oft zu mir kommen, deshalb war ich eben öfter bei ihm. Battlestar Galactica war zum regelmäßigen Event geworden, und ich brachte Burger und Pommes von Merlin mit. Als es mir dann mal schlechter ging, bedingt durch eine beendete Beziehung, war er eine ganze Woche jeden Tag bei mir und wir haben Monster Hunter auf der PSP gespielt (Mann, waren wir ein unschlagbares Team!).

Irgendwann haben wir uns weniger gesehen und sogar öfter gestritten. Wir haben neue, nicht gemeinsame Freunde gewonnen und Zeit mit denen verbracht und auch die Interessen gingen etwas weiter auseinander. Trotzdem waren wir noch immer beste Freunde, denn das Leben ist nun mal so. Man verändert sich. Dann kam der große Tag, an dem Pestilence seine Frau kennen gelernt hat. Mann, war ich eifersüchtig. Natürlich habe ich ihm dieses Glück von Herzen gegönnt, aber das bedeutete auch, dass wir noch weniger Zeit miteinander verbrachten. Immerhin ist er ja dann sogar nach Hannover gezogen und wir konnten uns gar nicht mehr zum Burger, Pommes oder Hot-Dog-Pizza mampfen verabreden. Monster Hunter aber haben wir trotzdem noch ab und zu gespielt, dem Internet und VPN sei Dank.

XBox Live wurde unsere Plattform für gemeinsame Unternehmungen und der Voice-Chat unser Telefon. Es war, als wären wir wieder Nachbarn, wir haben uns mehrmals in der Woche zum Daddeln und klönen getroffen. Der Dienstag (an dem meine Frau regelmäßig ihren Weiberabend hatte) wurde "Unser Dienstag". Und auch diese Zeit verging, denn chronische Krankheiten lassen nicht einfach so locker. Pestilence war immer öfter krank, müde und bettlägerig und im Krankenhaus. Ab und zu sah man sich hier und da im Skype, aber insgesamt ebbte der Kontakt deutlich ab. Das hat sich bis heute auch nicht geändert.

Will ich etwas damit sagen? Vielleicht, denn obwohl ich Pestilence noch immer als meinen besten Freund betrachte, haben wir heute fast gar keinen Kontakt mehr. Obwohl ich den Verlauf seiner Krankheit beobachtet habe und um seinen gesundheitlichen Zustand weiß, bin ich nicht ständig für ihn da oder frage ihn täglich, wie es ihm geht. Trotz meiner Erfahrungen mit Krankheit, Leid und Tod in der Familie, fahre ich ihn nicht regelmäßig besuchen, um ihn wiederzusehen.

Genau das ist mir durch deinen Post bewusst geworden, Tommy, und es geht mir verdammt nahe. Ich kann mir nicht ausmalen, was wäre, wenn du nicht mehr da bist. Danke, dass du mich daran erinnert hast, dass es mehr im Leben gibt, als den Beruf und allgemeine Verpflichtungen und das Bemühen, das maximale Vergnügen aus seiner Freizeit heraus zu holen.

Bewertung zu diesem Post
Ezio stimmt zu: Ergreifend und verdammt ehrlich geschrieben. Respekt!!!
Coke stimmt zu:
McPoldy stimmt zu: Der SP verbindet halt,großartig das es solche Freundschafften gibt.

"Die Intelligenz der Menschheit kann man an ihren Fragen ermessen."
"Hä?"
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Geändert von Reborn (06.11.11 um 13:32:15 Uhr)